Dominic Falter ist der Gründer eines politischen Blogs und war selbst 12 Jahre in der Kommunalpolitik in München aktiv (CSU/ Unabhänige Junge Liste eV.). Für “Andere-Parteien.de” hat er sich die Münchner Kommunalwahl 2014 noch einmal genauer angesehen und vor allem aus Sicht der vielen Parteien die Lage analysiert.
Die CSU, die große Siegerin der München Wahl 2014?
Auf den ersten Blick mag es so scheinen angesichts eines Zuwachses von 4,9% – allerdings von dem Niveau eines katastrophalen Wahlergebnisses 2008, welches kaum mehr zu unterbieten war. Letztlich springen für die CSU 26 Stadträte heraus, da hatte man intern doch mit viel mehr gerechnet (”Mindestens 30″). Stärkste Partei im Stadtrat klingt toll, nimmt man aber an, dass die SPD die OB Stichwahl gewinnt, gibt es einen Sitzpatt von 26 zu 26 zwischen CSU und SPD. Angesichts einer SPD ohne Amtsinhaberbonus, Skandalen bei den städtischen Kliniken und einer in der Stadt deutlich spürbaren rot-grün-Müdigkeit hat die CSU eine historische Chance leichtfertig verspielt. Um eine echte Chance zu haben, den OB zu stellen, hätte das Ergebnis von Seppi Schmid im ersten Wahlgang deutlich besser sein müssen. Und es bedürfte echter Angebote nicht nur an die Grüne Partei, sondern auch an deren Wählerschaft, damit diese nicht Dieter Reiter von der SPD zum OB kürt. Aber gerade bei der kommunalpolitisch wichtigen Verkehrspolitik liegen CSU und Grüne meilenweit auseinander. Eine Chance läge möglicherweise darin, den Grünen (und auch der ÖDP) bei der Ablehnung der zweiten Stammstrecke entgegen zu kommen und so eine Mehrheit zu kreieren, gerade weil die Münchner CSU in dieser Frage ohnehin nicht so genau weiß, was sie will. Aber da würde die Landes CSU, die voll hinter der zweiten Stammstrecke steht, den Seppi wohl zurückpfeifen.
Vielleicht verfing beim Wähler Seppis Parole vom “München neu denken” auch nicht, wenn die Partei gleichzeitig wieder “ewige” Stadträte wie die Herren Quaas, Zöller und Podiuk für weitere 6 Jahre aufstellte.
Oder der Grundansatz war falsch, Wähler in der Mitte einfangen zu wollen. Parteiurgestein Peter Gauweiler plädierte hier immer “Stammkundschaft vor Laufkundschaft”, also Fokus auf Mobilisierung der Stammwähler. Die extrem niedrige Wahlbeteiligung zeigt, dass letzteres kaum gelungen ist, wohl weil viele Themen zu soft für die CSU Stammwähler waren. Vielleicht hätte eine Kampagne alten Typs wie vom ehemaligen CSU München Spitzenmann Uhl mit markigen Sprüchen (”cool, sicher, Uhl”) und dem Thema Sicherheit mehr erreicht.
Betrachtet man die Stadtviertel, bleibt das CSU Ergebnis weiter sehr gespalten. Schwächster Bezirk ist die Schwanthalerhöhe mit gerade mal 18,3% gefolgt von Isarvorstadt und Au-Haidhausen. Stärkster Bezirk wie üblich Allach mit 49,4% – für eine Partei mit dem Anspruch die ganze Stadt zu regieren, sind diese Unterschiede eigentlich zu groß. Auch die Zuwächse fallen je nach Gegend sehr unterschiedlich aus. In Feldmoching-Hasenbergl gabs ein plus von 9,3%, wohl geschuldet durch das katastrophale Ergebnis dort 2008 im Umfeld der Transrapid Planung, schwächster Zuwachs in Sendling mit nur 0,7%.
Insgesamt ein enttäuschendes Ergebnis für die Münchner CSU, schließlich wurde die als so historisch beschworene Stichwahl auch nicht aus eigener Kraft erreicht, sondern nur weil die Grünen Wähler mehrheitlich ihre Kandidatin im ersten Wahlgang wählten.
SPD
Minus 8,9% – eine schallende Ohrfeige. Gewinnt Reiter aber die Stichwahl und gelingt es eine Mehrheit zu kreieren mit den zahlreichen Möglichkeiten, kommt die SPD mit einem blauen Auge davon. Die SPD ist auf einem normalen “Ohne-Ude” Niveau angekommen – und dies recht gleichmäßig verteilt über die Stadt, schwächster Bezirk die CSU Hochburg Allach mit 24,8%, stärkster Milbertshofen mit 36,4%. Und auch die Verluste verteilen sich ohne großes Gefälle, am niedrigsten in Altstadt-Lehel mit -6,2% (gefolgt von den südwestlichen Stadtbezirken), am höchsten in Moosach mit -11,1% (gefolgt von Bogenhausen und den westlichen Bezirken). Wirklich erstaunlich ist auf der SPD Liste das Abschneiden von Stadtrat Dr. Assal – aufgrund von Fehlverhalten nur auf Platz 51 gesetzt, gewann der Aubinger 26 Plätze und ergatterte den letzten Sitz der SPD. Wird ein amtierender Stadtrat so weit nach hinten gesetzt und trotzdem reingewählt, dürfte das den SPD Parteistrategen absolut nicht schmecken…
Grüne
Plus 3,6% – angesichts des schwachen Abschneidens bei Land- und Bundestagwahl war dies nicht unbedingt zu erwarten – 16,6% bedeuten 13 Stadträte. Einen Platz konnte sich auch wieder der bei der innerpartielichen Aufstellung abgewatschte Bürgermeister Monatzeder sichern, er sprang von 18 auf 6. Dagegen wurde der kaum bekannte Münchner Grünen Vorsitzende Weissenburger von den Wählern aus den Top 13 aussortiert, somit kein Mandat für ihn.
Grünen Hochburg wieder Au-Haidhausen mit 26,0%, Diaspora Feldmoching-Hasenbergl mit 9,7%. Die Gewinne verteilen sich dagegen sehr gleichmäßig, hier vorne Obergiesing mit 5,2%, ein deutliches Zeichen, dass sich auch dieses Viertel zunehmend gentrifiziert und hinten die Isarvorstadt mit 2,0% plus, was wohl dem starken Abschneiden der HUT Liste dort geschuldet sein dürfte. Das Grünen Ergebnis insgesamt bleibt stark gespalten zwischen innerhalb und außerhalb des Mittleren Rings.
Freie Wähler
Trotz einer Steigerung von 1,6% auf 2,7% bleiben die FW in München ein Fremdkörper im Vergleich zu ihren Erfolgen auf dem Land. Die ersten 4 Plätze ihrer Liste besetzen Überläufer (1. Altmann, exCSU Stadtrat, 2. Sabathil, exCSU Stadträtin, 3. Hentschel, exCSU BA-Chefin, 4. Bertermann, exFDP MdL). Echte Hochburgen kennt diese Überläuferliste nicht, nur Trudering sticht mit 3,4% heraus, wohl weil dort Hentschel (noch) dem Stadtviertelparlament vorsteht. Warum die FW ihren Wahlkampf vor allem mit dem Thema Bildung bestritten, obwohl dies gar nicht Kommunalpolitik ist, bleibt ein Rätsel.
FDP
Die FDP hat ihr 2008 Ergebnis von 6,8% genau halbiert. Interessant dabei, die FDP verlor laut Wählerwanderungsanalyse ihre meisten Anhänger nicht an die zugewinnende CSU, sondern an die Grünen. Außerdem wanderten viele FDPler an die Sonstigen ab, das dürften vor allem Neuwähler der AfD gewesen sein. Herausragend bei der FDP ex Wissenschaftsminister Heubisch, der von Platz 15 auf 3 sprang, so den letzten FDP Sitz errang und zwei amtierende Stadträte rausdrängte. Das dürfte intern nicht nur für Freude gesorgt haben…
Piraten
1,2% für die Piraten, Spitzenkandidat und ex FDP Mitarbeiter Ranft schafft damit als einziger den Einzug. Für die Partei eine herbe Enttäuschung, hatte man bei der Landtagswahl noch 2% geholt und auf ein deutlich höheres Ergebnis gehofft, geben doch viele Wähler ihre Stimme bei Kommunalwahlen im Gegensatz zu Landtagswahlen eher kleineren Parteien, da sie wegen der fehlenden 5% Hürde nicht den Verlust ihrer Stimme fürchten müssen.
Einsatz und Ideen bot die Münchner Parteigliederung durchaus, den meisten Kandidaten fehlte es aber an Erfahrung und örtlicher Vernetzung, dazu die bundesweite Grundausrichtung als Linkspartei-light, die bei den Wählern offenbar weniger gut ankommt.
Das eigentliche Problem der Piraten ist es, dass sie es bei dieser Kommunalwahl nur in 5 Kommunen schafften mit eigenen Listen anzutreten Die zuständigen Vorstände haben es versäumt den Fokus auf eine breite Verankerung der Partei in ganz Bayern zu legen und lieber interne Auseinandersetzungen betrieben. Bayernweit kommen die Piraten für die nächsten 6 Jahre auf zwei handvoll Mandatsträger von mehreren zehntausend. Näher am Menschen geht anders…
Bayernpartei und AfD
Von 1,5% auf 0,9% gefallen – angesichts von zuletzt 2% bei der Landtagswahl in München und einer zunehmenden Angst Einheimischer verdrängt zu werden, ein schwaches Ergebnis für die Bayernpartei. Wahrscheinlich war das Landtagswahlergebnis auch dadurch getrieben, dass die AfD nicht antrat und intern zur Stimmabgabe für die BP warb. Die AfD selbst erreicht im Rat 2 Sitze mit 2,5% – nicht wirklich aussagekräftig, über Erfolg oder Misserfolg der AfD entscheidet eher die Europawahl. Ihr Ergebnis war am Stadtrand deutlich stärker als innerstädtisch, wohl auch geschuldet einer Kampagne fokussiert auf die ältere Generation (”Respekt den Senioren”).
Die Behüteten und Rosafarbenen
Die Rosaliste, die selbsternannte Vertretung der Homosexuellen, zieht wieder mit einem Sitz im Rat ein. Hochburg mit 7,1% die Isarvorstadt, wenig überraschend, stellen sie in Münchens schrillstem Viertel doch den Vorsitzenden des Stadtteilparlaments.
Auch die HUT Liste hatte mit 5,7% ihre Hochburg zwischen Gärtnerplatz, Röcklplatz und Hauptbahnhof, bei nur 0,3% in Allach. Einen Sitz im Rat für diese stark innerstädtisch geprägte Liste, die gegen den Neubau von Wohnungen demonstriert, aber niedrigere Mieten will.
Die Extremen
Die Linke verlor deutlich von 3,7% auf 2,4% (2 Sitze). Die NPD-nahe Liste “BIA” halbierte ihr Ergebnis auf 0,7%, erhielt aber ihren einzigen Sitz. Vertreter der jüdischen Kultusgemeinde äußerten, dies sei eine Schande für München. Bei der sehr geringen Beteiligung war aber eigentlich viel Schlimmeres zu befürchten, nämlich mehrere Sitze für Rechtsextreme. Stürzenbergers anti-islamische “Freiheit” scheiterte mit 0,6% knapp