07-03-2011- D.Simonet (Piratenpartei / Schweiz): “Bei uns hat das Volk das letzte Wort” – 08:00

Sonstige Parteien International: Auch international gesehen haben Kleinparteien mit ähnlichen Problemen wie in Deutschland zu kämpfen – oder etwa nicht? Tobias Schlitzke, von “Andere-Parteien.de”, spricht im Rahmen einer Serie mit verschiedenen “sonstigen Parteien” aus diversen Ländern. Den Anfang macht Denis Simonet, Vorsitzender der Piratenpartei der Schweiz.

Andere-Parteien.de: Parteien in der Schweiz. Jeder denkt beim Gedanken an die Schweiz an direkte Demokratie. Welche Rolle spielen dabei Parteien, vor allem im Vergleich mit Deutschland?

Denis Simonet: Parteien können sehr viel über Kampagnen erreichen. Denn bei uns hat das Volk das letzte Wort, nicht das Parlament. Deshalb kommt es vor, dass Dinge, die vor dem Gesetzgeber scheiterten, über die Bundesverfassung trotzdem eingeführt werden. Vor allem die größeren etablierten Parteien (SVP, FDP, SP, CVP, Grüne) bringen auf diesem Weg immer mal wieder Vorlagen durch. Am bekanntesten dürften die Minarett- und Ausschaffungsinitiative sein.

Doch es gibt noch einen zweiten Unterschied zu Deutschland: Wir haben ein Miliz-System. Das heißt: National- und Ständeräte gehen alle einer Haupttätigkeit nach und verbringen ihre Zeit nur während den Sessionen im Bundeshaus. Das dürfte mit ein Grund sein, dass bei uns ein Dialog mit Politikern oft unkompliziert möglich ist.

Andere-Parteien.de: Kleinparteien haben es in Deutschland äußerst schwer. Wie ist die Situation der Kleinparteien in der Schweiz?

Simonet: Es ist natürlich nicht einfach, als Kleinpartei einfach mal ins nationale Parlament zu kommen. Kommunal und Kantonal sind aber oft auch kleinere Parteien vertreten. Mir fehlen die Referenzwerte, um mit Deutschland vergleichen zu können. Das Vertrauen der WählerInnen muss man aber natürlich zuerst einmal gewinnen – das wird in Deutschland wohl gleich sein.

Andere-Parteien.de: Welche institutionellen Hürden gibt es für Kleinparteien in der Schweiz?

Simonet: Kaum welche. Wir haben zum Beispiel kein Parteiengesetz. Unsere Parteien sind normale Vereine, geniessen dadurch aber auch keine Vorzüge wie etwas eure Parteienfinanzierung. Auch die benötigten Unterschriften, um an Wahlen teilnehmen zu dürfen, sind gering.

Andere-Parteien.de: Vor allem der Volksentscheid wird auf Landesebene in Deutschland immer häufiger von Kleinparteien eingesetzt. Inwiefern bietet diese Möglichkeit in der Schweiz einen Vorteil für Kleinparteien?

Simonet: Man kann so auf wichtige Themen aufmerksam machen, worüber die Medien unter Umständen berichten. Die Wahrscheinlichkeit, dass dadurch ein bisher vernachlässigtes Thema ernst genommen wird, erhöht sich so. Ohne Unterstützung von etablierten Parteien und/oder Parlamentariern ist es aber schwierig, die benötigten Unterschriften zu sammeln.

Andere-Parteien.de: Haben Kleinparteien mit einer ähnlichen Benachteiligung in den Medien zu kämpfen wie in Deutschland?

Simonet: Wir erhalten je nach Situation gute Resonanz und werden auch vermehrt zu Aktuellem zu unseren Kernthemen angefragt. Doch im Vergleich zu den etablierten Parteien sind wir natürlich kaum in den Medien – was an sich auch normal ist, denn je mehr Themen man abdeckt je präsenter ist man vertreten. Es gibt auch Zeitungen, die uns nicht mögen und uns wo immer möglich aus dem Weg gehen.

Andere-Parteien.de: Wie viel Potential sehen Sie für die Piratenpartei mittelfristig in der Schweiz?

Simonet: Unseren ersten Standaktionen und Wahlkampferfahrungen zufolge gibt es eine Bevölkerungsschicht, die mit uns übereinstimmt. Außerdem bin ich sicher, dass die etablierten Parteien noch für eine lange Zeit unsere Themen nicht mit der notwendigen Sorgfalt behandeln werden. Es ist also ein großes Potenzial vorhanden. Die anstehenden Nationalratswahlen sind die erste Gelegenheit, in mehreren Kantonen gleichzeitig einen Wahlkampf zu führen.

Andere-Parteien.de: Sie haben vier verschiedene Sprachen in Ihrem Land. Macht es die Sache bei neuen Parteien schwieriger? Vor allem auf logistisch?

Simonet: Unsere Texte müssen vor allem auf Deutsch und Französisch vorliegen. Auch das Printmaterial muss immer mehrsprachig erstellt werden. Das bedeutet Zusatzkosten (es müssen zwei Versionen gedruckt werden) und mehr Aufwand. Manchmal ist es ziemlich schwierig und eine zusätzliche Hürde, das hinzukriegen.

Andere-Parteien.de: Wie ist die Zusammenarbeit mit den großen Parteien? Wird man dort oftmals belächelt?

Simonet: Wir trafen bereits mehrere Parteien, die sich für uns interessieren. Natürlich übernimmt niemand einfach mal Positionen von uns und auch wir müssen kämpfen, um etwas zu erreichen. Von Belächeln konnte bisher aber kaum die Rede sein.

Zum Beispiel haben wir zusammen mit den jungfreisinnigen Schweiz eine Petition gegen die Urheberrechtsabgaben auf leere Datenträger (http://abgabenterror.ch/) lanciert. Sie wird von der SVP, FDP, jungen SVP, jungen CVP und JUSO unterstützt. Außerdem bin im Initiativkomitee der Transparenz-Initiative (http://www.unbestechlich.ch/), die von SVP-Nationalrat Lukas Reimann ins Leben gerufen wurde.
Parteien in der Schweiz. Jeder denkt beim Gedanken an die Schweiz an direkte Demokratie. Welche Rolle spielen dabei Parteien, vor allem im Vergleich mit Deutschland?

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