28-02-2016 – Landtagswahlen könnten das deutsche Parteienspektrum verändern

2015 – die Achterbahnfahrt der AfD

Parteien feiern Erfolge, betrauern Niederlagen und manche verschwinden irgendwann in der Bedeutungslosigkeit – nichts Ungewöhnliches in der Bundesrepublik Deutschland. Das Auf und Ab in 2015 der Alternative für Deutschland dürfte in der deutschen Parteiengeschichte allerdings beispiellos sein und bleiben:
Der Showdown um den Parteivorsitz der AfD endete am 5. Juli mit einer schweren Niederlage für den Parteigründer Lucke. In Folge dieses Parteitages traten in den nächsten Tagen und Wochen tausende Parteimitglieder aus. Unter den Austretenden waren besonders viele Amts- und Mandatsträger, so dass mancher Landesverband ohne geschäftsfähigen Vorstand zurückblieb. Von den sieben Abgeordneten der Partei im Europaparlament verblieben lediglich zwei, die anderen fünf schlossen sich der neuen “ALFA” Organisation von Lucke an, dazu auch zahlreiche Mandatsträger aus Ländern und Kommunen. Im Sommer 2015 landete die AfD bei den Wahlumfragen im Topf “Sonstige”, in denen die Demoskopen alle Parteien zusammenfassen, die keine Chancen auf einen Parlamentseinzug haben, sondern nur um die 1%-Grenze der staatlichen Wahlkampffinanzierung kämpfen. Die AfD schien ihre besten Zeiten bereits hinter sich zu haben.
Wenige Monate später präsentiert sich die Lage vollkommen anders. Der Verlust der Mitglieder ist längst überkompensiert und auch in Umfragen erreicht die AfD neue Rekordwerte. Für die Landtagswahlen im März in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz scheint der Parlamentseinzug sicher, in Sachsen-Anhalt rückt die Partei in den zweistelligen Bereich und damit möglicherweise nahe an die SPD.
Verantwortlich für diese historisch beispiellose Achterbahnfahrt einer Partei ist zweifellos die von vielen Staatsrechtlern inzwischen als widerrechtlich eingeschätzte Entscheidung der Bundeskanzlerin, Millionen Asylbewerber aufzunehmen und diese Entscheidung ohne eine Obergrenze auch nach Monaten nicht revidieren zu wollen.

2016 – fährt die Achterbahn weiter?

Viele Anhänger der AfD dürfte der Wunsch nach einem möglichst frühen Ende der Kanzlerschaft Merkels einen – für die Partei selbst allerdings war Merkel der Motor 2015 und könnte dies bis zu der regulären Bundestagwahl September 2017 auch bleiben. Parteistragetisch kann man eine Auflösung des Bundestages also nicht begrüßen. Noch dazu wäre die Organisation der AfD für vorgezogene Neuwahlen nur bedingt bereit, in vielen Bundesländern stabilisieren sich die Strukturen nach Luckes Abgang erst, beispielsweise sind zahlreiche Internetseiten von AfD Gliederungen unbesetzt bzw. noch von ausgetretenen Lucke-Anhängern besetzt.
Die gefestigsten Strukturen kann die AfD in den neuen Bundesländern aufweisen, schließlich sitzt sie dort auch in den Landtagen von Brandenburg, Sachsen und Thüringen. Bereits bei der Bundestagswahl 2013, als die AfD mit 4,7% knapp den Einzug verpasste, erzielte sie in den neuen Ländern inklusive Berlin-Ost überdurchschnittliche 5,8%. Ist die Partei also auf dem besten Weg zur Lega Ost, einer Regionalpartei für die östlichen Ländern analog zur Lega Nord Italiens?
Dazu nochmal ein Blick auf die Ergebnisse der Bundestagswahl getrennt nach West und Ost: Ob CDU, SPD, FDP oder Grüne, alle “Altparteien” der alten BRD erzielen in den neuen Ländern unterdurchschnittliche Wahlergebnisse, besonders eklatant ist der Unterschied bei Grünen und FDP, die im Osten fast nur halb so viele Wähleranteile erreichen wie in den alten Ländern (9,2 zu 5,1% bzw. 5,2 zu 2,7%). Wie kann das sein, alle Parteien im Osten unter dem Durchschnitt?
Grund für dieses mathematische Phänomen ist, dass es eine Regionalpartei Ost längst gibt, nämlich die Linke. Trotz der Fusion mit der westdeutschen WASG klaffen die Ergebnisse der Linken immer noch weit auseinander zwischen 22,7% (Ost) und 5,6% (West), wobei speziell der Süden und Südwesten eine Schwachstelle der SED Nachfolgepartei bleibt, denn weder in Bayern noch Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz gelang ihr bisher auch nur einmal der Landtagseinzug. Politische Kommentatoren stellen daher die Frage, ob die Wähler im Ostteil auch 25 Jahre nach der Wiedervereinigung noch nicht in der BRD angekommen seien. Umgekehrt macht die Frage wohl mehr Sinn, warum sind die Parteien der alten BRD immer noch nicht beim “Lebensgefühl Ost” angekommen? Ein Lebensgefühl, bei dem offenkundig nationaler Patriotismus und der Wunsch nach einem präsenteren Staat, ob bei innerer oder sozialer Sicherheit, eine größere Rolle spielt als im Westen.
Wenn die AfD nun also stärkere Akzeptanz im Osten findet, dann obwohl es bereits eine Regionalpartei Ost gibt. Diese Darstellung der AfD entspricht eher dem Versuch einer Stigmatisierung. Nebenbei bemerkt stellen selbst bei der Linken trotz des vierfach höheren Wahlergebnisses im Osten “Westabgeordnete” die Mehrheit der Bundestagsfraktion, eine Lega Ost ist aufgrund der zahlenmäßigen Kräfteverhältnisse in der BRD so gar nicht möglich.
Nichtsdestotrotz wird die AfD einen regionalen Schwerpunkt in den östlichen Bundesländern haben und es ist davon auszugehen, dass die ersten vorsichtigen Annäherungen und möglicherweise Koalitionen mit der AfD hier vollzogen werden, viele andere Machtoptionen werden sich der CDU ansonsten gar nicht bieten.
Besonders schwer wird es für die AfD dagegen im Südosten, in Bayern. Hier besetzt die CSU noch zahlreiche inhaltliche Positionen, die die CDU längst auf Merkels Weg der Sozialdemokratisierung der Union geräumt hat. Außerdem sind die bürgerlichen Freien Wähler in keinem anderen Bundesland so stark. Dementsprechend steht die AfD in Bayern mit 8% in den Umfragen unterm Bundesschnitt von 12%. Noch wichtiger als Bayern dürfte für den Erfolg bei Bundestagswahlen aber das Abschneiden in NRW sein. Im einwohnerstärksten Bundesland verfehlte die Partei 2013 mit 3,9% die Hürde besonders deutlich.

Und der Parteigründer?

Wenn die AfD Achterbahn fährt, so fährt Luckes Neugründung ALFA wohl nur noch Kinderkarussell. In fast allen Umfragen wird die Partei gar nicht mehr abgefragt und sollte sie bei den kommenden Landtagswahlen nur in die Nähe der 5%Hürde kommen, wäre dies schon eine große Überraschung. Lucke verließ die AfD aufgrund deren starker Fokussierung auf das Thema Zuwanderung und wurde dabei genau auf dem falschen Fuß erwischt. War dieses Themengebiet seit vielen Jahren wirklich eher “kalt”, so wurde es durch Merkels Entscheidung im Sommer 2015 plötzlich extrem “heiß”. Alle Wählerbefragungen belegen den aktuellen Fokus auf Asyl und Zuwanderung und die zukünftigen Probleme und Kosten bezüglich der Integration dürften das Thema auch nicht gänzlich verschwinden lassen. Neben dieser falschen Themensetzung könnte Lucke auch unterschätzt haben, wie sehr ihm mit seiner Abspaltung auch die mediale Präsenz fehlen wird. Denn wird die AfD in den Medien zumindest negativ dargestellt und unterrepräsentiert, so wird ALFA praktisch vollkommen verschwiegen. Die Zeiten, in denen der Professor mehrmals täglich Talkshowgast war, sind seit dem Sommer 2015 nämlich vorbei. ALFA sieht sich selbst als eine Art bundesweite CSU, weshalb sich eine irgendwie geartete Kooperation mit der DSU anböte. Die 1990 gegründete Partei sollte ein Ableger der CSU in Ostdeutschland werden, musste aber bereits 1992 aufgrund des Bruches mit der CDU ihren Gang in die Bedeutungslosigkeit hinnehmen. Bei der letzten sächsischen Landtagswahl 2014 erreichte die Deutsche Soziale Union 0,2% und besitzt heute noch vier Landesverbände mit Mitgliedern und einigen kommunalen Mandatsträgern fast ausschließlich in den neuen Bundesländern – wo es Luckes ALFA besonders an Strukturen fehlt. Ob der Professor aber überhaupt an Zusammenarbeit interessiert ist, erscheint nach seinen Alleingängen in der AfD aber mehr als fraglich. Immerhin gelang es ALFA durch Einreichung ausreichender Unterstützerunterschriften bei allen drei Landtagswahlen am 13.3. antreten zu dürfen. Mit “an alle ehemaligen CDU Wähler – kommen Sie zu uns” wendet sich Luckes Kampagne dabei speziell an frühere CDU Anhänger und engt damit das Potential von ALFA ein. Währenddessen erhält die AfD nicht nur Zuspruch von CDU sondern auch von FDP, SPD und zumindest im Osten LINKE Wählern, lediglich die Grünen dürften fast nichts an die AfD verlieren. Erschwerend für die Entwicklung von Luckes Neugründung kommt hinzu, dass die Verwendung der Abkürzung ALFA noch Gegenstand einer gerichtlichen Auseinandersetzung ist, da der Verein Aktion Lebensrecht für Alle die Abkürzung für sich beansprucht. Kein Name, keine Medienpräsenz, kaum Mitglieder und Wähler. Lucke dürfte sich sein Ausscheiden aus der AfD anders vorgestellt haben.

2017 – die AfD eine etablierte Partei?

Die Chance dazu besteht sicherlich, da die Wähler die CDU in einem links-rechts-Schema  inzwischen mit einem Wert von 4,4 Punkten links der Mitte bewerten und es, solange die CSU nicht bundesweit antritt, keine demokratische Partei mehr in der gesamten rechten Hälfte des politischen Spektrums gibt.
Die größte Gefahr für die Etablierung der AfD dürfte die AfD selbst sein. Selbstzerfleischung, Flügelkämpfe und schrille populistische Polemik kommen beim Wähler schlecht an, sind in dem zusammengewürfelten Haufen einer neuen Partei allerdings immanent. Der AfD Führung wird die Aufgabe zuteil, die Partei nicht zu weit von der politischen Mitte zu positionieren und innerparteilichen Streit möglichst zu vermeiden, ansonsten kann auch diese politische Vereinigung in der Bedeutungslosigkeit verschwinden. Denn dass die AfD nochmal eine Wiederbelebung wie in 2015 erhalten würde, das erscheint schon sehr unwahrscheinlich.

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