05-01-2012 – H. Hummel (FREIE UNION): “Frau Pauli ist immer noch willkommen”

Helga M. Hummel

Helga M. Hummel - Bundesvorsitzende

Um die einstige Partei von Gabriele Pauli, die FREIE UNION, ist es seit dem Abgang der Gründerin still geworden. Andere-Parteien.de hat sich daher auf Spurensuche begeben und mit der aktuellen Bundesvorsitzende der Partei FREIE UNION, Helga M. Hummel, gesprochen. Im Interview erklärt sie die aktuelle Lage der Partei und warum für Pauli die Tür immer noch offen ist.

Andere-Parteien.de: Seit dem Abgang von Frau Pauli ist es ruhig geworden um die Partei. Woran wird momentan gearbeitet in ihrer Partei?

Helga M. Hummel (Bundesvorsitzende der Partei FREIE UNION): Wir arbeiten daran, das Programm unserer Partei, welches Frau Dr. Gabriele Pauli bereits zur Gründung für die Partei geschrieben hat, weiter zu entwickeln. Es soll den aktuellen, politischen und sich sehr schnell verändernden Erfordernissen gerecht werden. Unser Augenmerk richtet sich dabei hauptsächlich auf die Innenpolitik. Dazu haben wir insbesondere 4 Säulen gewählt, die wir das „vielblättrige Kleeblatt“ nennen, um der Öffentlichkeitunsere politischen Schwerpunkte mitzuteilen.
a) Ein vereinfachtes, überschaubares Steuersystem (angelehnt an das Kirchhof-Modell) b)Ein Gesundheitssystem das sich nach den Bedürfnissen der Menschen richtet. c)Eine bundesweit einheitliche Bildungspolitik, die den Herausforderungen der Zukunft gewachsen ist und die individuellen Stärken der jungen Generation berücksichtigt. d) Reform des Verwaltungsapparates für ein verschlanktes, effizienteres Verwaltungssystem, durch
Verwaltungsabbau. (siehe auch das Programm der Partei FREIE UNION).

Andere-Parteien.de: Die Partei wurde von Frau Pauli gegründet. Diese ist nun nicht mehr an Bord. Bisher konnte sich keine Partei auf Dauer halten, wenn sich der Hauptgründer verabschiedet hat. Was wollen Sie anders machen?

Hummel: Wenn das bisher so war, dass sich keine Partei ohne ihren Hauptgründer halten konnte wie Sie annehmen, muss dieses Prinzip nicht zwingend für alle Zeiten gelten. Natürlich hat es eine junge Partei leichter, öffentlich wahrgenommen zu werden, wenn sie eine charismatische, bereits prominente Persönlichkeit an ihrer Spitze hat. Die „anderen Parteien“ streben sicher alle danach solche Persönlichkeit in ihren Reihen aufzunehmen. Der Partei FREIE UNION verhalf die Tatsache, eine politisch ausgesprochen prominente und durch ihre Geschichte herausragende Parteigründerin zu haben.
Das hat dann auch zu dem fulminanten Auftakt der Partei beigetragen, der die Erwartungen bei Wahlbeteiligungen auf die 4 -5 % Marke realistisch festschrieb. Viele der politisch unzufriedenen im Lande schlossen sich mit hohen Erwartungen der neuen Partei an, weil sie die Hoffnung hatten, auf der Basis des Parteiprogramms einen Aufbruch 2009 in die Wege leiten zu können. Leider haben sich anfangs auch viele Menschen der Partei angeschlossen, die einem Personenkult erlegen sind ohne nachzufragen wofür die Partei überhaupt steht. Die nötigen Zeitabläufe zur Installierung der Partei wurden zu wenig beachtet. Dies führte zu heftigen Irritationen und Verwerfungen in der Partei . Frau Dr. Pauli verließ die Partei im Mai 2010 u. a. wegen Missachtung ihrer persönlichen Würde durch damalige Parteimitglieder. Zum Glück sind die Verursacher nicht mehr in der Partei zu finden und ich habe auch nicht vernommen, dass sie auf anderen Ebenen irgendwo erfolgreich Politik machen. Das Vergangene können wir nicht mehr ändern, wir können lediglich unsere Lehren daraus ziehen.
Diese können z. B. auch sein, dass es einer Partei gut tut, zuerst die Strukturen ihrer Organisation einzurichten und zu perfektionieren, bevor die Werbetrommel geschlagen wird. Auf dieser gesunden Basis , lassen sich langfristig geeignete, politisch begabte Menschen finden, die sich der Programmatik der Partei anschließen wollen, weil diese überzeugend ist und den Menschen in den Mittelpunkt stellt. Der allgemeinen Politikverdrossenheit ist dadurch zu begegnen, dass die Ehrlichkeit, Glaubwürdigkeit und Wahrheitsliebe der Politiker, die einer Partei vorstehen sichtbar wird. Ihre Haltung zu Grundgesetz und Demokratie muss verlässlich und solide sein, alles andere wird die inzwischen gläserne Gesellschaft aufdecken. Der jetzige Bundesvorstand ist dabei die Versäumnisse aus den Gründertagen aufzuarbeiten und ist bereits ein gutes Stück voran gekommen.

Andere-Parteien.de: Wieso war am Ende denn keine gemeinsame Zukunft mit Frau Pauli möglich?

Hummel: Das kommt darauf an, wann die Zukunft beginnt! Zunächst war es Frau Dr. Pauli unter den gegebenen Umständen zu Recht nicht möglich in der Partei zu verbleiben. Die unfairen Angriffe die aus der eigenen Partei kamen und die Berichterstattung darüber waren unmenschlich und wie ich meine unter dem Niveau einer gestandenen Politikerin.
Es blieben viele geschockte Mitglieder zurück, welche gewillt waren, die Partei in ihrem Sinne weiter zu führen, was sich bis heute als richtig erwiesen hat. Ihre Anhänger haben sich durchsetzen können und wachen darüber, dass die Grundsätze des Parteiprogrammes eingehalten werden. Darin ist auch von Respekt gegenüber den Menschen die Rede, was häufig zu Unverständnis geführt hat, weil man sich in der harten politischen Szene nicht vorstellen konnte, dass man Menschen mögen muss, um gute Politik zu machen. Mein persönliches Verhältnis zu Frau Dr. Pauli ist von gegenseitigem Vertrauen und Wohlwollen geprägt. Eine Rückkehr von Frau Dr. Pauli in die FREIE UNION wäre von unserer Seite erwünscht. Wir pflegen das Prinzip der offenen Türe.

Andere-Parteien.de: In der Nachbetrachtung der ersten Gründungsmonate der Partei: Was würden Sie heute anders/besser machen?

Hummel: Nun, ich sagte es ja schon, zuerst die geeigneten Strukturen schaffen, ein verlässliches Team organisieren und dann gründen. Glücksritter, Pseudopolitiker, Pöstchenjäger und Schnellstarter, die sich gerne neuen Parteien anschließen, haben auch hier die ernsthaften Bemühungen vieler aufrichtiger Gründungsmitglieder gehemmt und sie zuweilen auch mutlos gemacht. Man sollte denen mehr Beachtung schenken die das ernsthafte, innere Bedürfnis haben selbstlos zum Wohle der Gesellschaft ihre Kraft, Zeit und Energie zu investieren. Diesen Mitgliedern mehr Zeit einzuräumen ihre Forderungen zu formulieren, wäre ein wichtiges Anliegen. Ein Feuer das schnell hochlodert, verbrennt auch schnell! Die tatsächliche Aufbauarbeit ist knochenhart und erfordert eine Menge Durchhaltevermögen, Kontinuität und Überzeugungskraft von den allesamt ehrenamtlichen Aktiven. Netzwerke schaffen und diese ausbauen, die dafür nötigen Zeitabläufe berücksichtigen und Prioritäten setzen. Die Kommunikation in einer würdigen und rücksichtsvollen Weise führen, die andere nicht verletzt und die zwischenmenschlichen Gegensätze berücksichtigt. Die Chemie stimmt leider nicht zwischen allen Menschen, auch dann nicht wenn sie das gleiche Ziel haben, dies gilt es zu berücksichtigen bei der Wahl der Führunggremien. Sich gegenseitiges Vertrauen schenken mit der Gewissheit, nur gemeinsam ist man stark! Vertrautheit schafft Nähe, auch zu den Menschen für die man sich einsetzen möchte. Wie jede „andere Partei“ wünschen wir uns so viele motivierte und begeisterte Mitglieder wie möglich. Die Aufnahme von Mitgliedern sollte deshalb einer besonderen Sorgfaltspflicht unterliegen, die trotz Expansionswille nicht außer Acht gelassen werden darf.

Andere-Parteien.de: In welcher politischen Richtung sehen sie sich? Bzw. aus welchem Bereich wollen Sie Wähler schöpfen?

Hummel: Das ist die schwerste Frage, die sie mir stellen. Sie ist heute von keiner Partei mehr direkt und klar zu beantworten. Die Konturen haben sich durch die Vielfalt verwischt. Das traditionelle Mitte-Links- Rechts-Profil ist ins Wanken geraten und entspricht nicht mehr der heutigen Parteienlandschaft Wir sehen uns als Partei der Mitte und individuellen Tendenzen zu den Begriffen, frei, demokratisch, liberal, undogmatisch, sozial, ökologisch und dem Grundgesetz verpflichtet, das keinen Zweifel über die Würde aller Menschen offen lässt.
Jeglichen Populismus der nur dazu dient zu manipulieren und gesellschaftliche Gruppen
herabzuwürdigen, lehnen wir ab. So schwer es für einen einzelnen Menschen ist, seine Mitte zu finden, so schwer ist es auch für Parteien geworden ihre Mitte-Orientierung klar herauszustellen. Wir werden sie grundsätzlich gegen jegliche extremistischen Zeit- und Randerscheinungen verteidigen. Unsere Wähler suchen wir dort, wo der Glaube an die Aufrichtigkeit und Glaubwürdigkeit der etablierten Parteien verloren ging. Bei Menschen, die zwischen der direkten Demokratie und der parlamentarischen Auslegung keinen Widerspruch sehen und dies auch leben wollen. Sicher auch bei denen die wahlmüde geworden sind aufgrund von enttäuschten Hoffnungen und Versprechungen. Wie auch bei denen, welche optimistisch an eine glückliche Zukunft glauben und an ihrer Gestaltung aktiv mit ihrer Stimme teilhaben wollen. Wenn wir in unserem Programm sagen, wir wollen den Menschen in den Mittelpunkt stellen, werben wir um alle Menschen. Die Erstwähler – die noch auf der Suche sind und das freie Internet fordern, die sozial Benachteiligten der Gesellschaft, junge Familien – die das Rückgrat der Gesellschaft auch in der Zukunft sind, Frauen – die noch viel zu wenig in leitenden Funktionen zu finden sind, Alleinerziehende – die einer ständigen Doppelbelastung ausgesetzt sind, Arbeiter – und Angestellte – die auf sichere Arbeitsplätze angewiesen sind, Handwerker – die unter der Last der Bürokratie leiden und Freiberufler – die ohne soziales Netz auskommen müssen. Der Mittelstand mit seiner außerordentlich wichtigen Bedeutung für die Binnenwirtschaft und für die zuverlässige
Bereitstellung von Arbeitsplätzen, ist uns wegen seiner Tatkraft und vorbildlichen
Selbstverantwortung ein Wunschpartner.

Andere-Parteien.de: Gibt es Kleinparteien, mit denen sie Kooperationsmöglichkeiten sehen?

Hummel: Am ehesten sehe ich eine programmatische Übereinstimmung mit der ÖDP oder der pdv. In Baden-Württemberg und Bayern sind wir mit der pdv ein Aktionsbündnis eingegangen und nehmen gemeinsam an friedlichen Demonstration gegen die derzeitige Krisenpolitik teil.

Andere-Parteien.de: Bisher blieben jegliche Erfolge bei Wahlen aus. Setzten Sie sich selbst Miniziele, die sie erreichen wollen und ggf. bei Nichterreichung Konsequenzen ziehen würden?

Hummel: Nachdem unsere Teilnahme an der Bundestagswahl 2009 nach unserer Auffassung zu Unrecht wegen eines angeblichen Formfehlers vereitelt wurde, wirkte sich das auch auf unsere Erfolgserwartungen aus. In Berlin hat sich ein tatkräftiges Team auf die Wahlen vorbereitet und wir haben die Teilnahme auch als Übungsfeld betrachtet, das uns wichtige Erkenntnisse über die wesentlichen Voraussetzungen für eine Wahlbeteiligung vermittelt hat. Natürlich werden wir uns überall dort, wo es die bürokratischen Hürden zulassen, an Wahlen beteiligen. Unser Ziel ist es zunächst die 2 %-Hürde zu überspringen. Bei Nichterreichung kann das höchstens die Konsequenz haben, sich verstärkt darum zu bemühen, das Ziel bei einer anderen Wahl doch zu erreichen. So schnell gibt die FREIE UNION nicht auf.

Andere-Parteien.de: Bei der nächsten Europawahl 2014 wird es keine Fünf-Prozent-Hürde mehr geben. Welche Chancen verbinden Sie damit.

Hummel: Endlich ist diese ungerechte 5 %- Hürde wenigstens für das europäische Parlament gekappt worden. Das Ziel aller „anderen Parteien“ sollte es sein, dies auch für die BRD zu erreichen. Wir verbinden unsere Chance damit, unsere Kandidaten, die zur Wahl antreten werden in das europäische Parlament einziehen zu sehen, um dort mit ihnen den Beweis anzutreten, dass aus „anderen Parteien“ in diesem Falle der Partei FREIE UNION großartige Ideen und Beiträge fließen. Diese werden das politische Spektrum bereichern und zu gerechteren und demokratischeren Entscheidungen führen. Man kann unmöglich 6 % – 8 % der Bevölkerung per Gesetz von den Entscheidungen ausschließen, von denen sie als Bürger sehr wohl betroffen sind.

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