14-09-09 – F.Struening (Die Freiheit): “USA als Vorbild für den Wahlkampf”

felix-struening-2011Zum Abschluss des Berliner Wahlkampfes hat sich “Andere-Parteien.de” mit dem Schriftführer im Bundesverband der “DIE FREIHEIT“, Felix Struening, unterhalten. Im Interview befragen wir Struening über die Probleme als neue Partei im Wahlkampf und vor allem über die starke Ausrichtung der Partei auf den Online-Wahlkampf.

Andere-Parteien.de: Wie erleben Sie den Wahlkampf als neue Partei? Welche Probleme stellen sich dabei?

Felix Struening: Nun als neue Partei verfügt man vor allem über erheblich weniger Geld, als die Parteien, die durch die Wahlkampfkostenrückerstattung teilfinanziert werden. So ist unser Wahlkampfbudget natürlich nicht mit den etablierten Parteien zu vergleichen. Wir haben uns aber ein paar Sachen einfallen lassen, die kostengünstig sind und gleichzeitig viele Sichtkontakte beim Wähler erzeugen. Wir haben beispielsweise nur 5.000 Plakate berlinweit aufgehängt, erheblich weniger als andere Parteien. Plakate haben nämlich den Nachteil, dass sie an einem festen Ort hängen. Wir haben unsere Plakate deswegen in Bewegung gebracht. Mit unserem Flashmob-Bannern überqueren wir täglich die großen Kreuzungen in Berlin. Alle an den Ampeln wartenden Autofahrer sehen uns und unsere Kernbotschaften.

Der Flashmob 2.0 baut dieses Prinzip sogar noch aus: Auf großen LKWs fahren täglich unsere Plakate in Kolonnen durch die Stadt und erregen massiv Aufmerksamkeit.

Andere-Parteien.de: “Die Freiheit” setzt stark auf den Online-Wahlkampf. Inwiefern glauben Sie, dass sich daraus auch Wählerstimmen gewinnen lassen?

Struening: Wir haben eine stark internetaffine Anhängerschaft, die über modernen Kommunikationstools gut zu mobilisieren ist. Mit unserer Geldbombe haben wir an nur einem Tag eine Spendensumme von 58.000 Euro eingesammelt, einen Erfolg, den uns bisher keine der in Deutschland aktiven Parteien nachmachen konnte.

Das heißt aber nicht, dass wir auf den Straßenwahlkampf verzichten. Täglich stehen unsere Mitglieder mit Infoständen draußen, laufen und fahren den oben genannten Flashmob und verteilen Flyer. Ein reiner Online-Wahlkampf wäre zum Scheitern verurteilt.

Andere-Parteien.de: Laut dem Social-Media-Portal Pluragraph.de ist die FREIHEIT, insbesondere in den sozialen Netzen besser aufgestellt, als allen anderen Parteien in Berlin
Können Sie dieses Mobilisierungs-Potential auch in reale Stimmen umwandeln?

Struening: Das wird sich letztlich erst am 18. September zeigen. Generell gilt: Dass wir als junge Partei bereits jetzt besseren Online-Wahlkampf machen als die Piratenpartei, die dort bisher deutschlandweiter Spitzenreiter war, zeigt, auf welchem Level wir in den nächsten Jahren mitspielen werden.

Andere-Parteien.de: Welche Wählerschichten erreichen Sie über Facebook, Twitter und Co?

Struening: Hierüber lassen sich natürlich vor allem jüngere Menschen erreichen. Aber inzwischen hat wohl jede Aktive von uns ein oder mehrere Profile bei den Social-Media-Diensten, weil einfach jeder versteht, welch immense Mobilisierung mit viralem Marketing im Internet möglich ist.

Andere-Parteien.de: Der Wahlkampf ist sehr auf den Parteigründer René Stadtkewitz fokusiert. Wäre es nicht  besser gewesen, die Partei breiter aufzustellen?

Struening: Dieser Trend kommt wie so vieles aus den USA. Die Personalisierung des Wahlkampfes birgt Vor- und Nachteile. Im Gegensatz zu allen anderen Parteien, die derzeit nicht im Abgeordnetenhaus vertreten sind, verfügen wir eben über ein Abgeordnetenhausmitglied mit langjähriger Politikerfahrung. Diesen Vorteil spielen wir bewusst aus, zumal René Stadtkewitz in seinem Berliner Bezirk (Pankow) bei den Bürgern als sehr loyaler Politiker bekannt ist. Das klingt jetzt vielleicht nicht besonders spannend, aber Pankow hat 350.000 Einwohner, also mehr als die meisten deutschen Städte.

Hinzu kommt, dass wir durch das Mandat von René Stadtkewitz einen echten Themenwahlkampf führen konnten: Mittels parlamentarischen Anfragen haben wir dem Berliner Senat so manche Aussage entlockt, die man dort oben wohl lieber verschwiegen hätte. Steuerverschwendungen im zweistelligen Millionenbereich, die traurige Wahrheit über Berlins Hartz-IV-Babys etc.

Andere-Parteien.de: Bisher gibt es noch keine funktionierende Mutterpartei. Welche Schwierigkeiten ergeben sich dadurch?

Struening: Nun, DIE FREIHEIT ist bundesweit aktiv und verfügt über bereits zehn Landesverbände. Tatsächlich konzentrieren wir uns bis zum 18. September 2011 auf Berlin, dann werden wir uns natürlich sofort auf den Landtags-Wahlkampf in Schleswig-Holstein vorbereiten. 2013 kommt die Bundestagswahl, bis dahin wollen wir in jedem Bundesland so gut aufgestellt sein, dass wir die Fünfprozenthürde auf Bundesebene knacken.

Andere-Parteien.de: Für den 03. September holten Sie zum Wahlkampfhöhepunkt Geert Wilders nach Berlin. Den Medien war zu entnehmen, das die 800 Plätze nicht ausverkauft waren. Woran lag das?

Struening: Es kursieren die wildesten Gerüchte über die Zuschauerzahlen. Die Wahrheit ist, dass über 600 Besucher anwesend waren zuzüglich gut 130 Journalisten. Eine Veranstaltung mit einer der gefährdetsten Persönlichkeiten der Welt erfordert nun mal besondere Sicherheitsvorkehrungen. Unter anderem verlangten wir von jedem Besucher seine komplette Adresse, seine Kontoverbindung und dann beim Einlass seinen Personalausweis. Ich bin sicher, wenn wir die gleiche Veranstaltung unter offenem Himmel mit anonymer Teilnahme durchführen könnten, würden mindestens 1.500 Menschen kommen.

Andere-Parteien.de: In Berlin treten mehrere rechtskonservative Parteien gegeneinander an. Existiert in Berlin ein so großes rechtskonservatives Wählerpotential?

Struening: Wir haben nie gesagt, dass wir eine rechtskonservative Partei sind, wir wollten nie nur Menschen am rechten Rand ansprechen. Wir haben uns die Probleme unserer Stadt und unseres Landes angesehen und wie man sie angehen kann. Eine Ideologie spielte dabei nie eine Rolle. Wenn man unbedingt ein Label benötigt, passt am besten noch bürgerlich-liberal oder realliberal.

Die anderen in Berlin antretenden Parteien, die man als rechtskonservativ ansehen könnte, unterscheiden sich von uns grundlegend. Inhaltlich wollen viele dieser Parteien im Gegensatz zu uns mehr Staat und mehr Sozialismus, personell haben sich einige Alt-NPD-Kader ins Boot geholt – das ist mit uns nicht zu machen! Wir wollen vor allem mehr Direkte Demokratie, sprich mehr Bürgerbeteiligung, das gibt es bei den anderen selten.

Andere-Parteien.de: In aktuellen Umfragen landen Sie nur bei etwa 1 Prozent der Stimmen. Woher nehmen Sie den Optimismus, die Fünf-Prozent-Hürde doch noch zu nehmen?

Struening: Diese Umfrage müssen Sie mir erst einmal zeigen. DIE FREIHEIT wird offiziell unter Sonstige geführt, so dass wir alle nicht wissen, ob es drei oder vier Prozent derzeit sind. Hinzu kommt: Wahlkämpfe werden erst in den letzten beiden Wochen entschieden, davon ist erst die Hälfte rum. Aktuelle Umfragen zeigen nämlich auf: Knapp die Hälfte der Berliner hat sich noch gar nicht entschieden, was sie wählen wollen.

Andere-Parteien.de: In welchen Bezirken bzw. Stadtteilen vermuten Sie die stärkste Wählerschaft?

Struening: Nun, das ist zum einen natürlich Pankow durch den hohen Bekanntheitsgrad von René Stadtkewitz, zum anderen sind es wohl eher die Bezirke wie Steglitz-Zehlendorf, wo man von einer etwas bürgerlicheren Wählerschaft ausgehen kann. So ganz verallgemeinern kann man das aber nicht, da wir auch viele bundespolitische Themen ansprechen, wie die derzeitige Euro-Krise. Und die betrifft alle Bürger in Berlin.

Andere-Parteien.de: Wäre ein Ergebnis im Einprozentbereich ein großer Rückschlag für Ihre Partei?

Struening: Je geringer das Wahlergebnis ausfällt, desto enttäuschender ist es natürlich. Aber machen wir uns doch nichts vor: Im tiefroten Berlin mit einer liberalen Partei auf Anhieb richtig viele Prozente zu holen, ist verdammt schwer. Sie müssen sich das mal vor Augen führen: Berlin ist bei der Bildung immer Bummelletzter, führt aber bei der Kriminalität. Und die Berliner sind trotzdem mit dem Regierenden Bürgermeister zufrieden. Klaus Wowereit ist beliebt, obwohl er eigentlich nur Party macht und keine Politik. Allerdings muss die SPD auch bei jeder Wahl darauf hinweisen, dass man SPD wählen muss, wenn man Wowi haben will. Mit den Sozialdemokraten wird er nur geringfügig assoziiert.

Vielen Dank für das Gespräch.

Interview: Tobias Schlitzke (Chefredakteur)

Kommentare

  1. tolles interview. endlich mal nicht nur auf die inhalte, sondern vor allem auf die partei dahinter.

    die freiheit wird dennoch wohl nur 1,x prozente kriegen.

  2. In den nunmehr 19 Jahren, in denen ich mich bezüglich der Problembereiche Währung, Einwanderung und Kriminalität engagiere, habe ich viel Frustrierendes aber auch Erfreuliches erfahren.
    Die Umstände sind alle schlechter geworden, teilweise sogar dramatisch. Gleichzeitig aber ist die Qualität derer, die sich dieser Themen kritisch annehmen, immer besser geworden.
    “Wo die Gefahr wächst, wächst auch das Rettende” – zum Glück!
    Reinhard Rupsch

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