17-02-2010 – Jimmy Martin Sengl: “Die Chance der Kleinparteien liegt in der Zukunft”

Autor Jimmy Sengel

Jimmy Martin Sengl hat sich mit der Frage befasst, inwieweit Kleinparteien politische Strömungen in Wählerstimmen umwandeln können. Der Systemtheoretiker Nikolas Luhmann rechnete dem politischen System die wichtige Aufgabe zu,  Zukunftsängste in politische Richtungsentscheidungen umzuwandeln.[1] Er sah im politischen Wettkampf um das überzeugendste Konzept, die Schlüsselaufgabe für die Bewältigung diffuser, zukünftiger Bedrohungen.

Durch diese Eigenschaft ist es dem politischen System möglich die anstehenden Probleme konkret und fassbar zu machen und der Gesellschaft einen Entscheidungsspielraum einzuräumen. Ist solch eine Richtungsentscheidung, oft mit der Wieder- oder Neuwahl einer Regierung, getroffen so muss sich das Konzept in seiner Umsetzung bewähren. Dieser Ablauf ist für eine Demokratie westlichen Stils, wie sie in der Bundesrepublik Deutschland vorherrscht, typisch und kann mittlerweile auf 60 wechselhafte aber stabile Jahre zurück blicken. In dieser Zeit ist es stets mehr oder weniger erfolgreich gelungen Zukunftsängste aufzulösen und im Wettstreit um Konzepte Veränderungen herbeizuführen und damit das System an neue Verhältnisse anzupassen.[2]

Die Notwendigkeit sich ständig auf neue Probleme auszurichten und auf zukünftige Bedrohungen adäquat  zu reagieren konnte jedoch nicht immer von den etablierten politischen Kräften bewältigt werden. Besonders die Anti-Atomkraftbewegung, die Frauenrechtsbewegung und die Friedensbewegung überforderten die vorhandenen politischen Akteure und neue bildeten sich heraus. Neben Parteineugründungen wie z.B. Die Grünen gab es auch außerhalb der Parteienlandschaft gesellschaftliche Strömungen, die alternative Organisationsformen wie etwa NGOs annahmen. Vor allem die Anti-Atomkraftbewegung reagierte auf eine diffuse Zukunftsangst, welche von den Parteien für einen Teil der Bevölkerung nicht angemessen in eine konzeptionelle Auseinandersetzung übersetzt werden konnte. Mit der Gründung der Partei Die Grünen 1970 und dem ersten Einzug in ein Parlament 1979 in Bremen, schaffte es eine vormals „andere Partei“ sich fest im politischen System zu etablieren. Der Raum wurde der Partei damals gegeben, da es nicht gelungen war Zukunftsängste auf der Ebene des politischen Systems zu kompensieren.

Gerade heute, in Zeiten der Weltfinanzmarktkrise, des medialen Umbaus der Wahrnehmung und der Kommunikation, arbeitsmarktpolitischer Umbrüche, schon bestehender und noch zu erwartender Ressourcenkonflikte scheinen die Zukunftsängste und der Bedarf ihrer Transformation in politische Konzepte stärker denn je. In dieser Situation zeigen sich die bisherigen politischen Parteien immer öfter überfordert. Während die Partei Die Grünen über ihr Kernthema Umwelt und Energie hinaus, trotz Bemühungen, kaum wahrgenommen wird, ergeben sich immer öfter Lücken im Prozess der Ängstetransformation. Parteien wie die WASG (Arbeit & soziale Gerechtigkeit – Die Wahlalternative)[3] in 2004 haben begonnen auf diese Freiräume zu reagieren.

Die Grünen, wie auch die WASG hätten den bereits vorhandenen Parteien auch als Signal dienen können, dass ihre, wie Luhmann bemerkt, so wichtige Transformationsleistung in einigen Feldern nicht mehr ausreicht bzw. unterentwickelt ist. In beiden Situationen haben sich jedoch die etablierten Parteien als zu träge erwiesen und haben es mit ermöglicht, dass sich in Deutschland ein Mehrparteiensystem herausbilden konnte. Die jüngsten Erfolge, wie z.B. der Einzug der Piraten Partei in das Europäische Parlament zeigen, dass diese Entwicklung sich fortzusetzen scheint.

Das alleine wäre Grund genug sich mit den „anderen Parteien“ in Deutschland stärker zu beschäftigen, da sie oft zwar sehr enge aber potentiell wichtiger werdende Themenfelder besetzen. Natürlich gilt das nur für einen Teil der „anderen Parteien“, da sich Vereinigungen wie etwa die NPD hauptsächlich durch Beschäftigung mit Vergangenem und durch destruktives Verhalten auszeichnen. Nichtsdestotrotz bietet die Lösung zukünftiger Probleme ein enormes Potential für heute noch zu kleine Parteien und gibt die Möglichkeit mit neuen Konzepten, neben dem aktuellen Mainstream, aufzutreten und vielleicht sogar Erfolg damit zu haben.

Autor:

Jimmy Martin Sengl

B.A. Politik- und Medienwissenschaft


[1] Luhmann, Niklas (2002): Die Politik der Gesellschaft, Frankfurt / Main, S. 131 ff.

[2] Die mit Sicherheit größte Anpassungsleistung war die Wiedervereinigung Deutschlands

[3] Heute Teil der Partei “Die Linke”

60254101

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