24-11-09 – J. Seipenbusch (Piratenpartei): “2013 ins Bundesparlament einziehen”

Jens Seipenbusch (Foto: Wikipedia)

Jens Seipenbusch (Foto: Wikipedia)

Jens Seipenbusch, 41 Jahre alt, ist Bundesvorsitzender der Piratenpartei Deutschland. Seipenbusch war bereits von Mai 2007 bis Mai 2008 Vorsitzender und bis Juli 2009 Stellvertretender Vorsitzender der Partei. Auf dem Bundesparteitag am 4. Juli 2009 in Hamburg wurde Seipenbusch mit 56 % der Stimmen erneut zum Bundesvorsitzenden gewählt. Tobias Schlitzke von Andere-Parteien.de konnte mit Seipenbusch ein Interview führen. Seipenbusch ist durchaus optimistisch, was die Ziele seiner Partei betrifft: “Der Schwung und der Einfluss, den wir als Piratenpartei haben, kann und soll auch dazu dienen, diese Positionen in den anderen Parteien zu stärken.”

Andere-Parteien.de: Wie betrachten Sie heute das Wahlergebnis mit etwas Abstand?

Jens Seipenbusch: Ich denke, dass man dieses Wahlergebnis als außerordentlichen Erfolg einstufen kann. Die Bundestagswahl ist doch alleine in punkto Wahlbeteiligung nochmal etwas anderes als die Europawahl. Mit 2% ist unsere junge Partei aus dem Stand an den anderen kleinen Parteien vorbeigezogen und war die erfolgreichste der nicht in den Bundestag eingezogenen Parteien. Damit haben wir einen weiteren wichtigen Schritt nach vorne getan.

Andere-Parteien.de: Besonders in den Großstädten schnitten Sie gut ab. Gilt die Konzentration nun stärker auf die Landtagswahlen in Stadtstaaten?

Seipenbusch: Das gute Abschneiden in den Städten liegt sicher zum Teil auch daran, dass wir bis vor kurzem nicht genügend Mitglieder hatten, um flächendeckend Wahlkampf zu machen mit Plakten u.ä. Mit inzwischen ca. 11000 Mitgliedern und der steigenden Tendenz wird es für uns in Zukunft auch möglich sein, stärker in die Fläche zu gehen. Dennoch sind sicher auch die Voraussetzungen in Großstädten und Universitätsstädten für uns günstig. Wir werden aber nicht nur in den Stadtstaaten antreten sondern uns als nächstes voll auf die Landtagswahl in NRW konzentrieren.

Andere-Parteien.de: Wie realistisch war für Sie persönlich der Einzug in den Bundestag?

Seipenbusch: Wir haben dies als Ziel ansgestrebt und waren uns aber durchaus bewußt, dass es nur eine kleine Chance gewesen ist. Dennoch war es folgerichtig, dies anzustreben, schliesslich gibt es die 5%-Hürde nunmal und nach unserer rasanten Entwicklung nach der Europawahl wäre alles andere kleinmütig gewesen. Wer antritt sollte auch auf Erfolg spielen.

Andere-Parteien.de: Die zukünftige Regierung prescht vor, was die Internetthematik betrifft. Was ist ihre Meinung zum Koalitionsprogramm?

Seipenbusch: Die Themen des Informationszeitalters werden immer wichtiger, die Regierung prescht hier meines Erachtens nicht vor, sondern versucht einen Rückstand aufzuholen. Allerdings reicht Problembewußtsein alleine nicht aus, man muß auch Mut zu neuen Lösungen haben. Wichtig ist auch, dass durch das politische Thematisieren die Diskussion in der
Gesellschaft stärker geführt wird. Im konkreten Bezug auf das Internet begrüße ich natürlich das Bekenntnis zur Netzneutralität und die Ablehnung einer Gesamtüberwachung des Internetverkehrs. Es bleibt abzuwarten wie die sich ergebenden Konflikte, beispielsweise beim Urheberrecht, aufgelöst werden sollen, ohne dass man diese Ziele aufgibt.

Andere-Parteien.de: Besonders die “Grünen” wollen sich den Internetthemen nun verstärkt annehmen, um auch jüngere Wähler anzusprechen. Wurden die jungen Wähler in den letzten Jahren vernachlässigt?

Seipenbusch: Die Jüngeren müssen sich von jeher ihren Platz in den Strukturen erkämpfen. Mit den Jugendorganisationen der etablierten Parteien wie der Grünen Jugend oder den Jungen Liberalen gibt es viele Übereinstimmungen mit unseren Zielen. Der Schwung und der Einfluss, den wir als Piratenpartei haben, kann und soll auch dazu dienen, diese Positionen in den anderen Parteien zu stärken.

Andere-Parteien.de: Häufig wurde kritisiert, dass sie sich nur auf wenige Themen konzentriert hätten. Inwieweit planen Sie nun den eine breitere Themenaufstellung?

Seipenbusch: Unsere Partei hat kein Problem damit, in einigen Aspekten anders zu sein als andere Parteien, im Gegenteil: wo wir das für wesentlich erachten, werden wir dies auch aufrechterhalten. Die Beschränkung auf Themen, bei denen wir auch eine kompetente Lösung anbieten können, ist ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal in der heutigen Politiklandschaft.
Die Priorisierung der Themen des Informationszeitalters werden wir nicht aufgeben. Die Debatte um eine Erweiterung auf weitere Themenfelder ist ein ständiger Prozess, der sicher neben der Strukturierung die nächsten Monate unserer Arbeit bestimmen wird.

Andere-Parteien.de: Anfangs galten die Piraten im Wahlkampf als Medienliebling, später wurden auch ihnen die Grenzen und Fallstricke in den Medien bewusst. Wie beurteilen Sie den Wahlkampf aus medienpolitischer Sicht?

Seipenbusch: Wir alle haben in diesem Wahlkampf auch viel über Medien und mediale Darstellung gelernt, denke ich. Trotz einiger negativen Erlebnisse ist unsere offene Art aber etwas, das ich als erhaltenswert einstufe. Meiner Meinung nach darf man sich nicht zussehr danach richten, was das ein oder andere Medium über einen verbreitet. Wir Piraten sind ja aus dem Internet ohnehin eine weniger monopolisitische Medienvielfalt gewohnt. Außerdem ist sachliche Kritik etwas sehr wertvolles. Schließlich behauptet ja niemand, dass wir keine Fehler machen würden.

Andere-Parteien.de: In den letzten Monaten gab es wahrlich einen Mitgliederansturm in Ihrer Partei. Stellte es ein Problem dar, die notwendigen Strukturen dafür aufzubauen?

Seipenbusch: Allerdings. In wenigen Wochen von 1400 auf über 10000 Mitglieder zu wachsen ist unglaublich. Wir bemühen uns auch sehr darum, diesen Vertrauensvorschuß nicht zu enttäuschen. Zugute kommt uns natürlich, dass wir schon rechtzeitig fast alle Landesverbände aufgestellt hatten, so dass sich die Mitglieder regional zusammenfinden und beteiligen können. Dennoch müssen wir jetzt einiges tun, um unseren eigenen Ansprüche an demokratische Beteiligung innerhalb der Partei auch weiterhin gerecht zu werden.

Andere-Parteien.de: Ist bei Ihnen in der Partei jeder freiheitsliebende Mensch willkommen oder gibt es politische Grenzen?

Seipenbusch: Die inhaltlichen Grenzen dieses Willkomens sind seit Gründung klar in unserer Satzung geregelt, dort steht: “Totalitäre, diktatorische und faschistische Bestrebungen jeder Art lehnt die Piratenpartei Deutschland entschieden ab.”

Andere-Parteien.de: Wo sehen Sie ihre Partei in vier Jahren?

Seipenbusch: Wenn wir die Zwischenzeit gut nutzen, werden wir uns in vier Jahren hoffentlich auf einen Bundestagswahlkampf vorbereiten, mit dem wir ins Parlament einziehen.

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