16-09-09 – Alexander Slonka: “Direkte Demokratie und die kleinen Parteien”

Alexander Slonka

„Und warum tretet ihr nicht als Partei an?!“, so die Frage, die Mehr Demokratie e.V. alle zwei bis drei Wochen angetragen wird. Naja, so unsere regelmäßige Antwort, um bundesweite Volksentscheide einzuführen, braucht es eine Änderung des Grundgesetzes und damit 66,6% der Stimmen im Bundestag. Diesen Stimmanteil als neu gegründete Partei zu erreichen, ist höchst unrealistisch; und selbst als Juniorpartner einer Koalition ist die verfassungsändernde Mehrheit fast nicht zu schaffen. Unser Weg ist daher vielmehr, Druck auf die etablierten Parteien auszuüben; zum einen den Wunsch von über zwei Dritteln der Wähler immer wieder zu artikulieren und zum anderen, in vielen Gesprächen mit Vorurteilen gegenüber der direkten Demokratie aufzuräumen.

Das heißt aber nicht, dass wir die Arbeit der „Kleinen“ gering schätzen. Im Gegenteil: ob Freie Wähler, Violette oder Piraten, die in kleinen Parteien Engagierten haben einen ähnlichen Impetus wie viele Aktiven von Mehr Demokratie: sie fühlen sich von den großen Parteien nicht gut vertreten und suchen daher einen alternativen Weg, ihre Ziele ins politische Geschehen einzubringen.

Ganz groß geschrieben wird in den Programmen der kleinen Parteien dabei mitunter der Wunsch nach „mehr direkter Demokratie“. Es gilt allerdings, genau hin zu schauen. Während die oben genannten Kleinparteien direkte Demokratie als ergebnisoffenes Verfahren und demokratischen Wert an sich betrachten, schreiben andere Kleinparteien in ihrem Programm vom „wahren Willen des deutschen Volkes ohne Manipulation durch fremde Mächte“, der sich mit der Einführung von Volksentscheiden endlich Bahn brechen würde. Die bereits seit Jahren beobachtbare Praxis der direkten Demokratie in den Städten und Gemeinden Deutschlands spricht da allerdings eine andere Sprache. Mit rechts- oder linksextremistischen Parolen gewinnt man bei einer Bürgerbegehrenskampagne keinen Blumentopf. Einen Bürgerentscheid gewinnt nur, wer sachlich argumentiert und den Wählern ein gut durchdachtes Anliegen zur Abstimmung vorlegt. Für die Länderebene gilt das Gleiche. Ironisch gesprochen hält sich nämlich auch hier der angeblich latent vorhandene „wahre Volkswille“ bisher gut versteckt.

Auch wenn das Ziel, aus eigener Kraft bundesweite Volksentscheide einzuführen für kleine Parteien ein fast unmögliches ist, so kann die direkte Demokratie auf dem Weg zur regional oder überregional etablierten Kraft eine hilfreiche Stütze sein. Die Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP) hat es in Bayern vorgemacht. Dort haben die grün-konservativen Aktiven mehrfach per Volksbegehren auf Landesebene gegen den Widerstand der CSU wichtige Reformen auf den Weg gebracht. Dass es dort keinen ständestaatlichen Senat mehr gibt, verdanken die Bayern einem Volksbegehren der ÖDP. Über 1.200 Bürgerbegehren in Bayern wären nicht möglich gewesen, hätte die ÖDP nicht bei einem von Mehr Demokratie initiierten Volksbegehren für die Einführung kommunaler Bürgerentscheide mitgewirkt. Derzeit kämpft die ÖDP in Bayern per Volksbegehren für ein striktes Rauchverbot. Wie viel Erfolg ihr damit beschieden ist, muss man abwarten, sicher ist aber eines: nicht zuletzt durch Volksbegehren ist die ÖDP in Bayern eine wichtige regionale Kraft geworden.

Alexander Slonka ist Landesgeschäftsführer von Mehr Demokratie e.V. in Nordrhein-Westfalen

Kommentare

  1. “um bundesweite Volksentscheide einzuführen, braucht es eine Änderung des Grundgesetzes und damit 66,6% der Stimmen im Bundestag.”

    Laut Artikel 20/2, gestützt durch Artikel 79 / 3, geht alle Staatsgewalt vom Volke aus.

    Da braucht es keine 2/3 Mehrheit, sondern nur den politischen Willen für eine Durchführungsbestimmung.

  2. Hans, wie willst du das konkret durchsetzen? Etwa einen Marsch auf Berlin anzetteln oder eine Art Volksversammlung?

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