06-06-2011 – Dr. Olaf Jandura: “Professionalisierung des Wahlkampfes als Problem für Kleinparteien”
Dr. Olaf Jandura, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Ludwig-Maximilians-Universität in München am Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung, hat ein Werk über Kleinparteien innerhalb der Mediendemokratie veröffentlicht. Dort hat sich der Wissenschaftler mit den Auswirkungen der Mediengesellschaft auf die Kleinparteien befasst. “Andere-Parteien.de“konnte ihn zu seinem Buch und seinen Thesen befragen.
Andere-Parteien.de: Sie haben das Buch “Kleinparteien in der Mediendemokratie” geschrieben. Eine ihrer Thesen ist, dass “die politische Chancengleichheit für Kleinparteien nur auf den ersten Blick gegeben ist”. Weshalb?
Dr. Olaf Jandura: Im Vergleich zu anderen Indikatoren, die die Rolle der kleinen im Bundestag vertretenen Parteien beschreiben wie z.B. die Redezeit oder die Verteilung der kostenlosen Wahlwerbespots, ist das Medienecho über Linkspartei, Bündnis`90/Die Grünen oder FDP doch recht umfangreich. Über die letzten Wahlkämpfe zeigt sich gerade bei der Linkspartei eine zunehmende mediale Beachtung. Schaut man sich allerdings die Inhalte an, zeigt sich eine thematische Enge in der Berichterstattung, die sich jedoch nicht aus der parlamentarischen Tätigkeit dieser Parteien zwangsweise ergibt.
Andere-Parteien.de: Eine weitere These ist, dass der Wähler ein unzutreffendes Bild über das politische Profil der Kleinparteien” erhält. Woran liegt das?
Dr. Jandura: Ich denke, hier ist die eben beschriebene Engführung des Themenspektrums der kleinen Parteien die Hauptursache. Die Reduktion der Kleinparteien auf stereotype Themen, so wie es bei den Grünen der Atomausstieg war und ist und es bei der FDP die Wirtschaftsthemen sind, führt bei den weniger politisch Interessierten zu einer Fehlwahrnehmung dieser Parteien.
Andere-Parteien.de: Ermöglicht ein staatliches Rundfunksystem, mit Vertreter der großen Parteien, überhaupt eine faire Berichterstattung?
Dr. Jandura: Auch wenn es von einigen so empfunden wird, unterscheidet sich doch unser Rundfunksystem erheblich von staatlich organisierten Systemen. Mit dem dualen System, also der Koexistenz von öffentlich-rechtlichem System und privaten System und den Anforderungen an die Qualität der Berichterstattung im Rundfunk sind die Grundlagen für eine faire umfassende Berichterstattung geschaffen.
Andere-Parteien.de: Vor allem Kleinparteien außerhalb des Parlaments beklagen, dass sie von den Medien weitgehend ignoriert werden. Teilen Sie diese Ansicht?
Dr. Jandura: Das Parteienspektrum in Deutschland ist viel breiter als jenes das viele nur aus den Medien kennen. Die Massenmedien orientieren sich u.a. an der Relevanz der Akteure im politischen System und da ist eine Reduktion der Berichterstattung auf die im Bundestag vertretenen Parteien folgerichtig. Da die Berichterstattung über Parteien keine öffentliche Leistung ist, greifen staatliche Regelungen zur politischen Chancengleichheit hier nicht.
Andere-Parteien.de: Im Internet bieten sich neue Möglichkeiten für Parteien aller Art sich zu präsentieren. Doch Wählerstimmen letztendlich zu bekommen, erscheint immer noch schwierig auf diesem Weg. Wird die Wahlentscheidung also immer noch durch die traditionellen Muster der Wahlentscheidung entschieden?
Dr. Jandura: Wenn man mit den traditionellen Mustern meint, dass man im Laufe seiner politischen Sozialisation eine Parteipräferenz herausbildet und diese dann sein Leben lang behält, muss man diese Frage mit nein beantworten. Die Zahl derer, die sich in den letzten Wochen, ja in der letzten Woche erst entscheiden, bei welcher Partei sie ihr Kreuz machen steigt von Bundestagswahl zu Bundestagswahl an. Folglich haben heute Ereignislage, Wahlkampf und Medienberichterstattung einen größeren Einfluss als vor 20 oder 30 Jahren. Wenn traditionell bedeutet, dass man die Wähler noch am ehesten mit den klassischen Medien der Wahlkampfkommunikation erreicht, um sie zu mobilisieren oder zu überzeugen, muss man die Frage bejahen. Das Internet wird gerade bei den jüngeren Wählern intensiv genutzt, aber eben nur zu einem sehr geringen Maße für die Suche nach politischen Informationen.
Andere-Parteien.de: Sind die Möglichkeiten, die Kleinparteien haben, wie zum Beispiel kostenlose Fernsehspots vor Bundestagswahlen, ausreichend, um sich präsentieren zu können?
Dr. Jandura: Die Frage hierbei ist, was man unter ausreichend versteht. Problematisch für die kleineren weniger finanzstarken Parteien ist sicherlich die Professionalisierung des Wahlkampfes in Deutschland, die mit einem erhöhten Mitteleinsatz einhergeht. Zwischen den zielgruppenbezogenen Kinospots, der Plakat, Zeitungs- und Zeitschriften- und Fernsehwerbung der großen Parteien noch aufzufallen, wird immer schwieriger. Umso wichtiger werden gerade die sogenannten „Free-Media“ also die Medienberichterstattung über die kleineren Parteien.
Andere-Parteien.de: Die Schill-Partei oder auch die Liste Martin in Österreich sind zwei Beispiele, wie sehr der medienpolitische Einfluss einiger Verlage sein kann. Entscheiden letztendlich Zeitungen über Wahlen?
Dr. Jandura: Medien sind in der Lage auf bestimmte gesellschaftliche Problemlagen hinzuweisen, indem sie diese direkt thematisieren oder vor deren Hintergrund sie Entwicklungen interpretieren. Trauen die Wähler den etablierten Parteien nicht zu, sich dieser Probleme anzunehmen und treten solche monothematisch aufgestellten Parteien mit charismatischen Führungspersönlichkeiten an, kann dies zu kurzfristigen Wahlerfolgen solcher Parteien führen. Generell gewinnt aufgrund der immer kurzfristiger getroffenen Wahlentscheidungen die Ereignislage vor Wahlen an Bedeutung, wie jüngst das Beispiel der Landtagswahl in Baden Württemberg zeigte.
Andere-Parteien.de: Inwieweit richten Parteien ihre Arbeit an Medieninteresse aus?
Dr. Jandura: Die Ausrichtung der eigenen Tätigkeit an den Interessen der Medien ist kein Spezifikum der Parteien, sondern ist ein gesellschaftlicher Trend von Akteuren, die in die Öffentlichkeit streben, der der Stellung der Massenmedien Rechnung trägt. In der Kommunikationswissenschaft verwendet man hier den Begriff der Medialisierung, der die Anpassung der Gestaltung von Ereignissen an die Logik der Medien beschreibt. Dennoch muss eine inhaltliche Substanz da sein, die man, der Logik der Medien entsprechend, präsentieren kann.
Andere-Parteien.de: Plädieren Sie für einen Wandel innerhalb der von Ihnen beschriebenen “Mediendemokratie” bzw. welche Reformansätze sehen Sie?
Dr. Jandura: Prozesse wie Individualisierung, Ökonomisierung und Deregulierung in der Gesellschaft stellen auch die Entwicklung der Demokratie vor neue Herausforderungen. Gegenwärtig ist ein Auseinanderfallen des Publikums, der Gesellschaft klar festzustellen. Ein kleiner Teil interessiert sich für politische Fragen, diskutiert aktiv mit und bringt sich ein und nutzt die neuen Möglichkeiten des Web2.0 um sich über Politik zu informieren. Ein größer werdender Teil koppelt sich vom System ab. Daher sehe ich als größte Herausforderung für die Gesellschaft diese Fragmentierung zu verhindern.
Andere-Parteien.de: Vor allem die Parteienfinanzierung ist dabei ein zentrales Thema. Ist diese noch zeitgemäß und gerecht im Sinne der Chancengleichheit aller Parteien?
Dr. Jandura: Ja, im internationalen Vergleich denke ich, dass es in Deutschland ein ausgewogenen Verhältnis zwischen erfolgsunabhängigen und erfolgsabhängigen Elementen in der Parteienfinanzierung gibt. Jedoch muss der Prozess des Auseinandertriftens finanzstarker und finanzschwacher Parteien begleitet und beobachtet werden.
Interview: Tobias Schlitzke
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