26-03-2011 – Sonstige Parteien International – R. Pomaroli (NFÖ): “Trotz 4-Prozent-Hürde in Österreich nicht einfacher”

Sonstige Parteien International: Auch international gesehen haben Kleinparteien mit ähnlichen Problemen wie in Deutschland zu kämpfen – oder etwa nicht? Tobias Schlitzke, von “Andere-Parteien.de”, spricht im Rahmen einer Serie mit verschiedenen “sonstigen Parteien” aus diversen Ländern. Im zweiten Teil sprachen wir mit Prof. Rudolf  Pomaroli, der Bundesvorsitzenden der politischen Initiative NFÖ (Bündnis Neutrales Freies Österreich) mit der Rechtsform einer Partei.

Andere-Parteien.de: In Österreich liegt die Prozenthürde bei nur 4 Prozent für Parteien. Ist es deshalb einfacher?

Prof. Rudolf  Pomaroli: Österreich hat im Vergleich zu Deutschland zwar ein „nur“ 4-prozentiges Limit für eine Kandidatur zu Nationalratswahlen (Parlamentswahlen) gesetzlich verankert, allerdings müssen zuvor – um überhaupt kandidieren zu dürfen – insgesamt 2.600 von Gemeindeämtern oder Notaren beglaubigte Unterstützungserklärungen in allen 9 Bundesländern nach einem bestimmten Schlüssel gesammelt werden.

Andere-Parteien.de: Mit welchen Problemen haben Kleinparteien in Österreich zu kämpfen?

Pomaroli: Der Aufbau von Organisationsstrukturen und der Aufbau eigener Medien ist immer auch von zur Verfügung stehenden Geldmitteln und der Zahl aktiver Mitarbeiter abhängig. Kleinparteien erhalten keine öffentlichen Zuschüsse. Fremde Medien arbeiten sehr häufig gegen die Interessen von Kleinparteien.

Für die ehrenamtliche Arbeit in politischen Parteien sind immer zu wenige aktive Mitarbeiter (Idealisten) zu gewinnen. Viele Bürger haben die Vorstellung, Parteiarbeit sei eine gut entlohnte Tätigkeit, was eine gewisse Berechtigung hat, wenn die Kleinpartei den Einzug ins Parlament schafft.

Andere-Parteien.de: In Österreich scheint man generell offener zu neuen Parteien. Parteigründungen gab es genug und die Farben sind breiter gestreut. Woran liegt das?

Pomaroli: Die Gründung einer politischen Partei ist in Österreich relativ unkompliziert und kostengünstig.  Man benötigt dazu die Anmeldung beim Innenministerium und die Veröffentlichung der Satzung in einer periodisch erscheinenden Zeitschrift. Daher gibt es schon über 700 Parteien. (Nur ein ganz kleiner Teil davon ist allerdings aktiv.)Der große Vorteil gegenüber einem Verein , der in gleicher Weise politisch arbeiten möchte, ist die fast völlige Freiheit der Strukturierung und Zuständigkeiten von Parteien. Außerdem unterliegen Vereine einer recht strengen Kontrolle durch das Vereinsgesetz, während  für die politische Willensbildung durch Parteien ein Freiraum geschaffen wurde, der Sinn macht. Welche Partei möchte sich ständig von der „Konkurrenz“ (Systempartei im Innenministerium) kontrollieren lassen. Missbrauch und mangelnde Transparenz bei den Parteispenden ist jedoch die Kehrseite dieser Freiheit, die vor allem den ganz großen Parteien nützt.

Andere-Parteien.de: Vor allem auf kommunaler Ebene gibt es die vielschichtigsten Parteien. Wie wichtig ist die kommunale Arbeit für Sie?

Pomaroli: Kommunale Arbeit  wurde von der NFÖ bewusst nicht angegangen. Allerdings ist der Weg über die kommunale Ebene der Erfolg versprechendere. Wir wollen in Zukunft dieser politischen Körperschaftsebene ein verstärktes Augenmerk schenken.

Andere-Parteien.de: Wie realistisch ist in Österreich ein Einzug ins Bundesparlament für Sie?

Pomaroli: Wenn wir es schaffen, viele kleine ähnlich gesinnte Organisationen und politische Gruppierungen an einen Tisch zu bringen, d.h. eine Wahlplattform zu bilden, die sich auf ganz wenige zentrale Themen (wie im Bündnis Neutrales Freies Österreich die sog. A-Themen) festlegt, so gibt es realistische Chancen die 4-Prozent-Hürde zu meistern.

Andere-Parteien.de: Muss der Weg vorher über Landesparlamente führen?

Pomaroli: Wie schon gesagt, dieser Weg ist wahrscheinlich der Erfolg versprechendere. Es ist allerdings für eine Partei, die sich vornehmlich Bundesthemen und Zielen verschrieben hat, langwieriger.

Andere-Parteien.de: Vor allem die “Liste Martin” hat gezeigt, die groß der Medieneinfluss ist und wie er sich politisch auswirkt. Wie kommentieren Sie diese Entwicklung?

Pomaroli: Hp. Martin war bereits -EU-Abgeordneter im SPÖ-Klub und es ist ihm gelungen von der auflagenstärksten österreichischen Zeitung unterstützt zu werden. Damit geht auch die Gefahr einher, abhängig zu werden. Der Einfluß auflagenstarker Medien ist in jedem Fall demokratiepolitisch äußerst bedenklich. Hier gibt es großen Handlungsbedarf.

Kleinparteien werden medial (in der „Mainstream-Presse, im Rundfunk und im Fernsehen) meist „totgeschwiegen“ oder nur marginal erwähnt, sodass die Wähler den Eindruck bekommen, dass ihre Kandidatur nichts bewegen kann und keine ernstzunehmende Alternative ist. Zu dieser undemo-kratischen Vorgangsweise gehört auch das Lächerlichmachen von Kleinparteien und ihrer Kandidaten durch Massenmedien, indem bestimmte herabwürdigende Wörter gezielt eingesetzt werden und Zusammenhänge bewusst verfälscht werden.

Andere-Parteien.de: Welche Möglichkeiten bleiben Ihnen außerhalb der Parlamentsarbeit im Bereich des Politischen?

Pomaroli:

Es bleiben die Basisarbeit (Gespräche mit Bürgern, um unsere Ziele unverfälscht bekannt zu machen, was wir von den „Mainstrean-Medien“ bisher noch nicht feststellen konnten), eigene Print-Medien schaffen, Nutzung des Internets.

Auch wenn wir bei der Nationalratswahl 2006 keine Mandate erhielten, so ist es doch gelungen unsere wesentlichen Ziele, nämlich die direkte Demokratie, den Wert der militärischen Neutralität und der staatlichen Souveränität ins Bewusstsein der Bevölkerung zu bringen.

Innsbruck, 14. März 2011

Prof. Rudolf Pomaroli,

Bundesvorsitzender der politischen Initiative NFÖ (Bündnis Neutrales Freies Österreich) mit der Rechtsform einer Partei.

Parteien in der Schweiz. Jeder denkt beim Gedanken an die Schweiz an direkte Demokratie. Welche Rolle spielen dabei Parteien, vor allem im Vergleich mit Deutschland?

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